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© Marcus Bredt
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Hyparschale Magdeburg

Die 1969 erbaute Hyparschale in Magdeburg gehört zu den rund fünfzig noch erhaltenen Schalenbauten des Bauingenieurs Ulrich Müther. Nach über zwanzig Jahren Leerstand wurde die stark verfallene Mehrzweckhalle von 2019 bis 2024 im Auftrag der Landeshauptstadt Magdeburg nach den Plänen von gmp umfassend saniert und umgebaut.

Im Mittelpunkt des Entwurfs, der die seit 1998 denkmalgeschützte Hyparschale als multifunktionalen Veranstaltungs- und Ausstellungsort wiederbelebt, steht die innenräumliche Wirkung des Schalendachs. Durch die Sanierung wurde die Tragfähigkeit des Daches wiederhergestellt und durch den Einsatz von Carbonbeton sogar erhöht.

Zudem wurden die zwischen den Schalen verlaufenden Oberlichter wieder geöffnet. Neu eingefügte Kuben mit Galerieebenen, verbunden durch begehbare Brücken, machen den offenen Raum mit seinem geschwungenen Dach vielfältig nutz- und erlebbar.

Hyparschale, 2020     © Marcus Bredt

Hyparschale, 2024     © Marcus Bredt

Neuerfindung im Sinne des Erfinders
Mit zwei Eingriffen konnte die Ruine von Ulrich Müthers Hyparschale in Magdeburg vor dem Abriss gerettet und wieder zukunftsfähig gemacht werden: Die Tragfähigkeit der visionären Dachschale wurde mithilfe neuester Carbonbeton-Technologie wieder hergestellt und sogar verbessert. Der große Innenraum ist für eine flexiblere Bespielung in kleinere Räume unterteilt worden, ohne dass der imposante Eindruck des weit gespannten Daches darüber verloren geht.

Sanierung des Schalendaches, 2020     © Marcus Bredt

Sanierung des Schalendaches, 2020     © Marcus Bredt

Sanierung des Schalendaches, 2020     © Marcus Bredt

Saniertes Schalendach, Rohbau, 2021     © Marcus Bredt

Saniertes Schalendach, Rohbau, 2021     © Marcus Bredt

Umbau und Sanierung, 2022     © Marcus Bredt

Umbau und Sanierung, 2022     © Marcus Bredt

Umbau und Sanierung, 2022     © Marcus Bredt

Umbau und Sanierung, 2022     © Marcus Bredt

Umbau und Sanierung, 2023     © Marcus Bredt

Räumliche und inhaltliche Neukonzeption
Eine neue Raumstruktur im Innenraum greift Müthers quadratisches Grundsystem auf und macht den offenen Raum mit seinem geschwungenen Dach vielfältig erlebbar: Zur Umsetzung des von der Auftraggeberschaft gewünschten kleinteiligen Raumprogramms wurden vier Kuben mit Grundflächen von 15 x 15 Metern jeweils in den Ecken der Halle angeordnet.

© gmp Architekten

Grundriss EG     © gmp Architekten

Grundriss OG     © gmp Architekten

Ansicht Süd     © gmp Architekten

Schnitt     © gmp Architekten

© gmp Architekten

Auf den Kuben entstehen Galerien, die durch Brücken miteinander verbunden sind. Die flexibel nutzbare Struktur erzeugt zusammenschaltbare Räume für kleinere Veranstaltungen, Seminare, Ausstellungen und Gastronomie, die den großen Veranstaltungssaal für bis zu 500 Personen in der Mitte der Halle räumlich fassen.

© Marcus Bredt
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Neuer Schwung
Auf den vier Kuben sind offene, vielfältig bespielbare Flächen entstanden, von denen aus die große Geste des weit geschwungenen Daches von Ulrich Müther nicht nur sichtbar bleibt – man kann dem Dach nun sogar näher kommen denn je. Denn von hier bietet sich ein freier Blick auf das Betonschalendach und die dazwischen verlaufenden und mit der Sanierung wieder geöffneten Oberlichter. Sie betonen jetzt wieder -wie ursprünglich geplant- die Schalenform und bieten eine optimale Belichtung für das Zentrum der Halle.

© Marcus Bredt
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Das sternförmige Oberlicht, das durch die Fugen zwischen den vier hyperbolischen Betonschalen entsteht, ist erstmals wieder geöffnet. Ursprünglich mit Glasbausteinen ausgefacht, wurde es wegen Undichtheit schon kurz nach Fertigstellung des Gebäudes geschlossen.

„Für jeden gelungenen Umbau ist die Wertschätzung dessen, was andere einmal erschaffen haben, eine zentrale Voraussetzung.“

Stephan Schütz, Executive Partner, gmp

Konstruktiv und gestalterisch knüpfen die hinzugefügten Einbauten an die ursprünglich industriell geprägte, vertikal betonte Außenfassade aus Stahl und Glas an.

© Marcus Bredt
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Die neue transparente Glasfassade ermöglicht den Blick zum und vom Rotehornpark und ersetzt die bisherige transluzente Industrieverglasung, wobei die originale Fassadengliederung erhalten wurde.

Das Schalendach schwingt in der Mitte der Halle bis zu einer Raumhöhe von 12 Metern und an den Gebäudeecken auf eine Höhe von nahezu 16 Metern. Im Untergrund verbinden Zugbänder die vier Schalen und sichern die Standfestigkeit.

Bau der Hyparschale Magdeburg, 1969, Einzelschale mit Fassadenstützen     © Müther-Archiv an der Hochschule Wismar

Bau des Schalendaches 1969
Der originale Bau des Schalendaches wurde durch die Firma Gerling & Rausch in Spritzbeton nach Anleitung Ulrich Müthers ausgeführt. Dabei brachten die Handwerker die nur 7 Zentimeter dicke Betonschicht mit Spritzpumpen im sogenannten „Torkretverfahren“ quadrantenweise auf eine Holzschalung auf. Die Besonderheit war, dass die vier hyperbolischen Paraboloide jeweils ohne eine Unterteilung in mehrere Abschnitte und ohne Unterbrechung in einem Guss betoniert wurden.

Betonierung der Hyparschale, 1969     © Müther-Archiv an der Hochschule Wismar

Verstärkung mit Carbonbeton
In der ersten Phase der Sanierung der Hyparschale 2019 - 2021 wurde die Tragfähigkeit des Daches wiederhergestellt und sogar noch auf das Anderthalbfache erhöht. Nur 70 Milimeter beträgt die ursprüngliche Schalendicke, die durch die Sanierung mit Carbonbeton wieder erreicht werden konnte. Aufgebracht in einem speziell für die Hyparschale Magdeburg entwickelten Verfahren, verstärkt der flexible Verbundwerkstoff das zuvor durch Korrosion gefährdete Schalendach an der Innen- und Außenfläche.

Auch bei der Sanierung erfolgte die Betonage der vier Dachsegmente nacheinander, während parallel die anderen Flächen vorbereitet wurden.

Sanierung der Hyparschale mit Carbonbeton, 2020     © Marcus Bredt


Auf Basis einer Bestandsanalyse wurde das nachhaltige und behutsame Konzept für die Sanierung mit Hilfe von Carbonbeton entwickelt. Dieser besteht aus Feinbeton und einer nichtmetallischen Bewehrung aus Carbonmatten. Feinste Fasern aus Carbon werden zu Garnen zusammengefasst und zu einer Gitterstruktur weiterverarbeitet. Die Gelege oder Matten lassen sich in ihrer Tragfähigkeit, Flexibilität und Verformbarkeit variieren. Im Unterschied zum Stahlbeton, bei dem die Betonschicht die Bewehrung vor Korrosion schützen muss, sind besonders leichte, filigrane und tragfähigere Konstruktionen möglich.

„Eine besondere Herausforderung stellt der Umgang mit den Nachkriegsbauten dar, vor allem jenen, die bereits unter Denkmalschutz stehen. Hier geht es weniger um Bauweisen des traditionellen Handwerks als vielmehr um Bauen mit industriell hergestellten Elementen, deren Produktionsstrecken oftmals nicht mehr existieren.“

Stephan Schütz, Executive Partner, gmp

Rückblick: 1969-2017

Die „Hyparschale“ in Magdeburg ist eines der größten noch erhaltenen Hallendächer des wohl erfindungsreichsten Bauingenieurs in der DDR, Ulrich Müther (1934-2007). Sein Markenzeichen waren die zweifach gekrümmten Dachflächen, sogenannte hyperbole Paraboloide, die sich durch ihre Krümmung selbst aussteifen und so mit sehr wenig Material sehr weite Flächen stützenfrei überspannen können – Müther wählte dafür die Bezeichnung „Hyparschale“.

Hyparschale bezeichnet eine Schalendachkonstruktion aus hyperbolischen Paraboloiden. In Magdeburg überspannt die Konstruktion aus vier der regelmäßig doppelt gekrümmten Betonschalen stützenfrei eine Fläche von 48 × 48 Metern. 

Präsentationsmodell der Hyparschale, Ulrich Müther, undatiert, Ausstellung "UMBAU.Nonstop Transformation", Venedig, 2023     © Modell: Müther-Archiv der Hochschule Wismar, Foto: Francesco Allegretto

Bei seiner Hyparschale in Magdeburg hatte Müther die technologischen Möglichkeiten seiner Zeit bis ans Limit herausgefordert: Er wollte eine quadratische Fläche von 48 Metern nicht nur mit einer doppelt gekrümmten Dachscheibe stützenfrei überspannen, sondern die Dachfläche noch einmal in vier gleiche Teildächer gliedern, jedes über quadratischem Grundriss und jedes in sich doppelt gekrümmt. Zwischen diese Dächer legte er Lichtbänder aus Glasbausteinen, die in der Mitte der Halle zu einem Lichtstern zusammenkamen.

© Müther-Archiv an der Hochschule Wismar/Marta Busnelli

Originales Modell der Hyparschale     © Müther-Archiv an der Hochschule Wismar

Schematische Darstellung der Hyparschalenkonstruktion     © Stadtarchiv Magdeburg

Hyparschalenkonstruktion, Draufsicht, Zeichung der PGH Bau Binz     © Müther-Archiv an der Hochschule Wismar

Hyparschalenkonstruktion, Trajektorenbewehrung, Zeichung der PGH Bau Binz
      © Müther-Archiv an der Hochschule Wismar

Für die damaligen bautechnischen Möglichkeiten erwies sich die Idee dieses Lichtsterns als zu gewagt. Das Dach hielt zwar, aber durch die Bänder aus Glasbausteinen tropfte Wasser in die Halle. Schon kurz nach der Eröffnung wurden die Oberlichter vollflächig mit Teerpappe abgedichtet. Der von Müther gedachte Effekt, das Hallendach so transparent, leicht und fragil zu inszenieren, war dahin. Über die Jahre brach dann auch das dünne Betondach an etlichen Stellen auf und der Bewehrungsstahl rostete. 1997 wurde die Hyparschale wegen akuter Einsturzgefahr gesperrt und sollte abgerissen werden. Es waren Proteste von Bürgern und internationalen Fachleuten, die auf den baukulturellen Wert dieser einmaligen Konstruktion hinwiesen und damit die Schale letztlich retteten. Nachdem keine privaten Investoren gefunden werden konnten, entschloss sich die Landeshauptstadt Magdeburg 2017, die Hyparschale selbst zu sanieren

Durch das Zusammenspiel aus den Anforderungen des und programmatischer Neukonzeption kann die „neue Hyparschale“ wegweisend sein – für den Erhalt weiterer Müther-Bauten sowie für andere gefährdete Bauten der Nachkriegsmoderne. Letztlich ist es der Einsatz neuster bautechnischer Verfahren, der es ermöglicht hat, das, was Müther schon 1969 entwarf, in seinem Sinne originalgetreu und dauerhaft zu erhalten und weiterzubauen.

Modell der neukonzpierten Hyparschale in der Ausstellung "UMBAU.Nonstop Transportation", Venedig, 2023     © Modell: Monath + Menzel, Foto: Francesco Allegretto

„Der Gebäudebestand lässt sich jedoch oft nur durch mutige Veränderungen erhalten, wenn wir langfristige und zukunftsfähige Nutzungsszenarien im Blick haben.“

Stephan Schütz, Executive Partner, gmp

Bauherrschaft Landeshauptstadt Magdeburg, Eigenbetrieb Kommunales Gebäudemanagement

Entwurf 1969 Ulrich Müther, in Zusammenarbeit mit Horst Freytag
Bauausführung 1969 Gerling & Rausch KG

VgV-Verhandlungsverfahren 2017 – Zuschlag
Entwurf Umbau Meinhard von Gerkan und Stephan Schütz mit Christian Hellmund
Projektleitung Sophie von Mansberg, Ursula Köper
Mitarbeit Rosaria de Canditiis, Jan-Peter Deml (Visualisierungen) Annett Fabian (BIM), Florian Illenberger, Sonja Kautz, Annette Löber, Bao Wangtao, Maria Wolff, Thilo Zehme (Visualisierungen), Aaron Zuber
Objektüberwachung gmp Moritz Buchholz, Jessica Neumann, Christoph Rohner, Viktor Saib
in Zusammenarbeit mit A.BB Architekten, Rudolf Droste
Tragwerk/Brandschutz Prof. Rühle, Jentzsch & Partner, Dresden
TGA Haupt Ingenieurgesellschaft, Leipzig; Ingenieurbüro Elektrotechnik Dipl.Ing. Andreas Kist, Burg
Lichtplanung Lichtvision Design, Berlin
Akustik ADA Acoustics & Media Consultants, Berlin
Leitsystem Mo­ni­teurs GmbH Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign, Berlin
Straßen-, Tiefbau- und Abwassertechnik IKM Ingenieurkontor Magdeburg
Bauphysik Ingenieurbüro Kriegenburg, Magdeburg; ITG Energieinstitut GmbH, Magdeburg
Carbonbeton-Technologie CARBOCON, Dresden

Bauzeit BA I 2019–2021, BA II 2021-2024
BGF 3.948 m²
Kapazitäten
Veranstaltungsbereiche 1-4
500 Sitzplätze
Seminarräume 2.1/4.2 127/127 Sitzplätze

Pressepaket