Auf alten Fundamenten. Bauen im historischen Kontext.
Fagus-Werk, Alfeld
Einhundert Jahre Fagus-Werk, die Ernennung eines Meisterwerks der modernen Architektur zum UNESCO-Weltkulturerbe - das ist eine verdiente Ehrung. Was außerhalb der Fachkreise kaum bekannt ist: Der Bau von Walter Gropius steht auf den Fundamenten eines Baus, den ein anderer Architekt begonnen hatte. Damit ist er Teil eines historischen Zusammenhangs. Dieser Bau stellt einen Anfang dar, aber einen, dem eine Geschichte vorausging, auf die er reagiert. Architektur ist nicht die Schaffung von etwas voraussetzungslos Neuem, sondern etwas, das nur auf dem Fundament des Alten als neu gesehen werden kann.
Das Hamburger Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner, das seit über 45 Jahren weltweit tätig ist, ist sich dieser Tatsache sehr bewusst und setzt sich immer aufs Neue mit dem Vorhandenen auseinander - mit einer bestehenden städtebaulichen Situation und mit bestehenden Bauten, auf die sie reagieren. Das Neue ist immer Ergebnis einer Auseinandersetzung mit dem Vorhandenen.
In einer Hommage an das Fagus-Werk werden in vier Kapiteln insgesamt 17 Projekte gezeigt, die ganz unterschiedliche Geschichten haben. Das betrifft nicht nur den denkmalpflegerischen Umgang (Haus Michaelsen, Hamburg), sondern auch formale Reaktionen auf eine Umgebung (Parkhaus in der Hamburger Speicherstadt, Nationalmuseum Peking). Selbst bei den viel gerühmten Stadionbauten setzt man sich nicht nur mit der Größe von Fußballfeldern oder einer spektakulären Dachkonstruktion auseinander, sondern mit ihren Vorgängerbauten (St. Petersburg, Warschau) oder der Geschichte ihrer Nutzung (Olympiapark Berlin).
So entsteht ein facettenreiches Bild davon, welche vielfältigen architektonischen Möglichkeiten genutzt werden können. Es zeigt auch, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte eines Ortes notwendiger Teil eines verantwortungsvollen Bauens darstellt.
Volkwin Marg, Gründungpartner des Büros von Gerkan, Marg und Partner, sagte aus Anlass der Einweihung der Langemarckhalle des Olympiastadions in Berlin dazu: „Ich bin der festen Überzeugung, dass man Geschichte nicht durch Entstellen und Leugnung bewältigt. Man darf bestehende Bauten, gleich aus welcher Zeit, nicht durch Eingriffe zerstören. Andererseits muss ich die Chance haben, Stellung dem Vorhandenen und seiner Geschichte gegenüber zu beziehen. Das geschieht auf unterschiedliche Weise: durch ergänzenden Neubau, durch Übertragung historischer Formen in das heutige Formgefühl, in Einzelfällen auch durch Rekonstruktion." (Volkwin Marg, 2006, zur Ausstellung in der Langemarckhalle des Olympiastadions, Berlin).